Inmitten der anhaltenden Investorenbegeisterung für Aktien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) erörtert Wendy Chen, Senior Investment Analyst im Disruptive Growth & Technology Team von GAM Investments, ihre wichtigsten Erkenntnisse der dreitägigen IT-Messe COMPUTEX in Taipei. Chen erläutert, wie die neuesten Entwicklungen im Technologiebereich mit den hohen Bewertungen in diesem Sektor zusammenpassen.
08. Juli 2024
Trotz zahlreicher Diskussionen über eine mögliche Technologieblase, investieren Anleger weiterhin in Tech-Aktien – insbesondere solche, die mit dem KI-Sternenstaub versehen sind. Als die COMPUTEX im Juni stattfand, lag der NASDAQ-Index mit Schwerpunkt auf Technologiewerten seit Jahresbeginn um rund 20 Prozent höher, sogar 40 Prozent über den Tiefstständen im Oktober letzten Jahres. Im gleichen Zeitraum legte der KI-Aufsteiger Nvidia um 143 bzw. 191 Prozent zu und überholte kurzzeitig Microsoft auf seinem Weg das global wertvollste börsennotierte Unternehmen zu werden.
Während die CEOs der großen Branchenakteure wie Intel, AMD und Qualcomm auf der COMPUTEX anwesend waren, um sich mit Zulieferern, Kunden und Investoren zu treffen, gewann insbesondere der US-amerikanische Halbleiter-Produzent Nvidia die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden. Wenn ein Unternehmen in letzter Zeit dem Hype um KI annähernd gerecht geworden ist, dann sicherlich Nvidia. Denn dem Unternehmen ist es gelungen seine Marktführerschaft bei Grafikprozessoren (GPUs) mit einer zunehmenden Dominanz bei dezidierten KI-Chips auszubauen. Dies betrifft insbesondere jene GPUs, die für Rechenzentren und Systeme zur Steuerung von KI-Chatbots in Unternehmen entwickelt werden.
Jensen Huang, Gründer und CEO von Nvidia, ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Von Mark Zuckerberg als "Taylor Swift der Technik" bezeichnet, präsentierte Huang in einer Bikerjacke gekleidet auf dem Podium den Entwicklungsfahrplan für Nvidia. Zielstrebig und ambitioniert begann der Vortrag mit der schneller als erwarteten Ankündigung von Produktzyklen. So wird es nicht nur jedes Jahr eine neue Produktgeneration für die GPU-Plattform geben, Nvidia wird alle zwei Jahre eine komplett neue Plattform liefern. Damit können die Blackwell-GPU-Plattform 2024 und der neue Ultra-Chip 2025 auf den Markt kommen – gefolgt von der neuen KI-Rubin- und Rubin-Ultra-Plattform der nächsten Generation 2026/27. Die Innovationen versprechen sowohl Kosten- als auch Energieeinsparungen.
Nvidia: trotzt der Schwerkraft und dem Mooreschen Gesetz
Jensen Huang stellte die Roadmap von Nvidia-Produkten bis zum Jahr 2027 vor
Überwindung des Mooreschen Gesetzes der Chip-Innovation
Bereits 1965 stellte der Mitbegründer von Intel, Gordon Moore, fest, dass sich die Anzahl der Transistoren in neu integrierten Schaltkreisen alle zwei Jahre bei minimalen Kosten verdoppeln kann, was auf eine höhere Produktionskompetenz zurückzuführen ist. Obwohl sich das Tempo des Halbleiterfortschritts seit 2010 verlangsamt hat, scheint Nvidia mit einer 30-fachen Steigerung der Rechenleistung in einem Jahrzehnt die jüngsten Trends umzukehren. Dies bedeutet, dass, selbst wenn die zukünftigen Produktentwicklungen außer Acht gelassen werden, die Verwendung des aktuellen Blackwell-Grafikprozessors zum Trainieren von ChatGPT 4 nur etwa 10 Prozent des Grafikprozessors erfordert, der noch vor zwei Jahren auf der Hopper-Architektur benötigt wurde.
Datenspeicherung in der KI-Ära: Don't You (Forget about Me)
Trotz des Erfolgs von Nvidia, sollten Anleger Investitionsmöglichkeiten jenseits des zunehmend überfüllten GPU-Bereichs nicht außer Acht lassen. KI-Server generieren immense Datenmengen und benötigen folglich sehr große Speicherbänke aus Verbund- oder High-Density-Flash-Speichern. Die nächste Generation von KI-GPUs in Servern und Beschleunigern, die von beispielsweise Nvidia hergestellt werden, dürfte daher die Nachfrage nach Speichern von Unternehmen wie Micron und SK Hynix ankurbeln. Die Speicherhersteller haben bereits von der Beendigung des zweijährigen Überangebots profitiert. Auch der KI/GPU-Boom wirkt als Multiplikator für diesen Aufschwung.
So benötigt beispielsweise jeder ausgelieferte Nvidia-GB200-Grafikprozessor etwa acht High Bandwidth Memory (HBM)-Chips – eine neue Art von vertikal gestapelten Speichern mit niedrigem Stromverbrauch und breiten Kommunikationskanälen. Nvidia und die HBM-Hersteller sind folglich eine zeitgemäße und potenziell lukrative Zusammenarbeit eingegangen, die verdeutlicht, wie der KI-Boom die Umsätze anderer Akteure im Speichersektor, darunter Micron und SK Hynix, ankurbelt.
Kein nachhaltiger Aufschwung des PC-Ersatzzyklus durch KI
Angesichts der Tatsache, dass der PC-Markt weiterhin in einem mittlerweile dreijährigen Abschwung steckt, ist es verständlich, dass Unternehmen wie Acer, Asus und Lenovo auf den KI-Zug aufspringen wollen. Doch während einige Investoren gebannt auf einen Aufschwung im PC-Ersatzzyklus durch KI-Anwendungen warten, sind wir alles andere als überzeugt davon. Selbst bei den rund 20 neuen KI-PCs, die auf der COMPUTEX vorgestellt wurden, sehen wir nur eine begrenzte Differenzierung zwischen den einzelnen Marken: Sie laufen Großteils auf demselben Qualcomm-Snapdragon-Elite-Prozessor, ermöglichen denselben Microsoft Copilot und werden überwiegend in denselben ausgelagerten Produktionsstätten in Taiwan hergestellt. Obwohl sich die KI-PCs weiterhin in der Entwicklung befinden, können sie zumindest vorläufig nicht die Kapazität eines voll funktionsfähigen KI-Servers ersetzen. GAM ist nicht davon überzeugt, dass die Vorteile des "Edge Computing" – also der Ausführung von KI-Berechnungen auf dem Endgerät, wie Smartphones und PCs, statt in der Cloud, z. B. mit Copilot – bei der täglichen Nutzung eine echte Verbesserung darstellen, für die die meisten Nutzer von Excel, Word usw. bereit wären, mehr zu bezahlen.
Warum der Kühlsystemsektor überhitzt wirkt
Wie Jensen Huang und viele andere feststellten, steigt mit dem KI-Boom, der immer leistungsfähigere Grafikprozessoren und einen immer größeren Speicherbedarf erfordert, die Nachfrage im Technologiesektor nach Energiemanagement – insbesondere nach Kühlsystemen. Bei einigen Aktien, die am häufigsten mit der Flüssigkeitskühlung in Verbindung gebracht werden, wie AVC und Auras Technology, haben sich die Aktienkurse daher seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt. Wir sind jedoch der Ansicht, dass dieser Aufwind unangebracht ist. Die Markteintrittsbarrieren scheinen nicht sehr hoch zu sein; Wettbewerber arbeiten bereits an ihren eigenen Lösungen. Daher könnten viele Akteure schnell in den Kühlungsmarkt eintreten. Die bestehenden Anbieter scheinen kaum über einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verfügen.
Apples KI-Ansatz – vorerst ohne Kern
Apple war zwar nicht vor Ort in Taipeh, seine eigene jährliche Worldwide Developers Conference (WWDC) hat aber im Laufe des Monats großes Interesse generiert. Trotz des beträchtlichen Einflusses auf den Markt für Consumer-Geräte und der Präsentation von Apple Intelligence (mit einer vernünftigeren Siri) hat Apple eine ziemlich konservative Haltung gegenüber Edge-KI-Innovationen eingenommen und scheint Cloud-basierte Lösungen zu bevorzugen, wobei Edge Computing auf dem kommenden iPhone kaum in Aussicht steht. GAM ist jedoch der Meinung, dass Apple aufgrund seiner starken Position auf dem Markt für mobile Geräte das Potenzial hat, eine viel größere Rolle im Bereich der KI und insbesondere im Bereich des Edge Computing zu spielen. Es besteht daher die Möglichkeit, dass dies den Fokus von OpenAI und Nvidia nehmen wird.
Aufbau von Semi-Infra-Investitionen noch nicht abgeschlossen
Bewertungen in der Nähe früherer Höchststände, da fundamentale Erholung einsetzt
Ausblick: Die "Picks & Shovels"-Gewinner nehmen immer noch alles mit
Trotz des rasanten Entwicklungstempos befindet sich der KI-Markt unserer Ansicht nach noch weitgehend im Infrastrukturstadium, weshalb sich der Markt auf den innovativsten Hardware-Entwickler Nvidia konzentriert. Weil der Investitionsaufbau noch nicht abgeschlossen ist, sehen wir interessante Möglichkeiten in der gesamten Lieferkette, einschließlich der Foundrys (wie TSMC) und Speicheranbieter (wie Micron und Hynix). Währenddessen ist der Anwendungssektor im Großen und Ganzen weiter zurückgeblieben. Wir gehen davon aus, dass die Anwendungsseite mit der Zeit mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird, da Endkunden die Infrastruktur zur Erzielung von Umsätzen einsetzen und sie zu einem Gewinnbringer und nicht zu einem Kostenfaktor wird. Doch während Hyperscaler wie Google, AWS und Meta ihre Investitionen in den Aufbau ihrer KI-Infrastruktur aufgestockt haben, ist das Tempo der Hardware-Entwicklung so hoch, dass die Sorge besteht, ein Teil der Hardware könnte schon bald veraltet sein – perspektivisch bereits in zwei oder drei Jahren. Für GAM liegt der Fokus daher weiterhin auf den Infrastrukturentwicklern und ihren Lieferketten, während wir gleichzeitig auf Chancen auf der Anwendungsseite achten, bevor der KI-Markt schließlich wieder ins Gleichgewicht kommt.
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