GAM erklärt: Das Abkommen über die biologische Vielfalt (Biodiversitäts-COP)
01. Dezember 2022
Die vergangenen Jahrzehnte waren weltweit von einem ausserordentlichen sozialen und wirtschaftlichen Wachstum geprägt, doch das gewohnte Produktions- und Konsumverhalten zerstört dabei das Naturkapital und die Leistungsfähigkeit der Ökosysteme - wie die Bereitstellung von fruchtbarem Boden, sauberer Luft und Wasser -, auf die wir alle angewiesen sind.
“Business as usual” bedeutet auch, dass mehr als 1 million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Beispielsweise ging in Lateinamerika die Anzahl der Wildtiere seit 1970i, um mehr als 94 % zurück, und die Populationen von Süsswasserarten haben sich weltweit um über 83 % verringert. Dieser Verlust an biologischer Vielfalt vollzieht sich in einem Tempo, das um ein Vielfaches über dem Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre liegt.
Um diese globale Krise der biologischen Vielfalt zu bewältigen und um zu verstehen, welche Rolle der Mensch dabei spielt, hat eine Expertengruppe des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Anfang der 1990er Jahre das Abkommen über die biologische Vielfalt (CBD) gegründet. Das CBD ist ein internationales Rechtsinstrument mit der Aufgabe, die Natur zu schützen und einen politischen Wandel herbeizuführen. Seit seiner Gründung haben es 196 Staaten ratifiziert.
Wie bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UN Framework Convention on Climate Change /UNFCCC) (die wir hier näher erläutern) here)ii, treffen sich die Vertragsparteien in regelmässigen Abständen (eine Konferenz der Vertragsparteien oder COP), um die Fortschritte zu überprüfen und Ziele festzulegen.
Das nächste Treffen ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts die COP15 (Teil 2) in Montreal, die aufgrund von Covid 19 und den damit verbundenen “Lockdowns” bereits dreimal verschoben wurde.
Die COP15 wurde ebenfalls in zwei Veranstaltungen aufgeteilt, wobei der erste Teil im Oktober 2021 in Kunming (China) stattfand. Dabei verpflichteten sich 100 Länder zur Unterstützung eines ehrgeizigen und messbaren globalen Biodiversitätsregelwerks (Global Diversity Framework/GBFiii). für die Zeit nach 2020.
Das vorgeschlagene Regelwerk umfasst 21 handlungsorientierte Ziele für das Jahr 2030, die Bereiche von der Ausweitung geschützter Flächen bis zur Beseitigung der Plastikverschmutzung abdecken. Die diesjährige, seit langem geplante Konferenz ist besonders wichtig, da die Einzelheiten des Regelwerks endgültig festgelegt werden sollen und rechtsverbindlich werden könnten.
Warum es für Investoren wichtig ist
Das Abkommen über die biologische Vielfalt ist von Bedeutung, weil es zu einem "Pariser Abkommen für die Natur" führen könnte, d. h. zu einer globalen Vereinbarung, die letztlich die Erhaltung der biologischen Vielfalt festschreibt und Sektoren von der Landwirtschaft bis zum Tourismus radikal verändern könnte.
Angesichts der Tatsache, dass 44 Billionen USDiv – bzw. die Hälfte des weltweiten BIP - "mässig oder in hohem Masse" von der Natur und ihrer Leistungsfähigkeit abhängig sind, werden nur wenige Investoren von den Ergebnissen des CBD nicht betroffen sein. Das geplante Regelwerk hätte weitreichende finanzielle als auch ökologische Auswirkungen, die Anreize, die der biologischen Vielfalt schaden, um mindestens 500 Mrd. USD pro Jahr verringern oder beseitigen würden.
Mehrere Berichte haben den Kapitalmarktteilnehmern bereits einen Eindruck davon vermittelt, wie sich die Dinge ändern könnten. Der fundierte, von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Dasgupta Reviewv warnte im Jahr 2021 davor, dass unsere Ansprüche an die Natur deren Kapazität bei weitem übersteigen. Der Bericht bezeichnet die Natur als das "wertvollste Gut der Welt", weist jedoch darauf hin, dass sie von den Kapitalmärkten weitgehend ignoriert wird und dass es weitaus kostengünstiger ist, die Natur zu erhalten, als beschädigte oder zerstörte Ressourcen wiederherzustellen. Der Global Risk Report des Weltwirtschaftsforumsvi stuft die biologische Vielfalt und die Zerstörung von Ökosystemen als drittwichtigstes globales Risiko in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein.
In dem Masse, wie das Wissen um diese Risiken und die negativen wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Gesellschaft und die Unternehmen steigt, beziehen Investoren naturbedingte Risiken zunehmend in ihre Entscheidungen ein.
Die Datenqualität bezüglich der Auswirkungen der biologischen Vielfalt ist jedoch mangelhaft, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass Investoren und die Wirtschaft insgesamt ein klares Verständnis der Auswirkungen des Verlusts der biologischen Vielfalt erhalten. Die COP15 stellt somit eine entscheidende Gelegenheit dar, diese Herausforderung anzugehen.
Was macht GAM?
Für GAM Investments hat die Bekämpfung der Entwaldung, eine der entscheidenden Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt, höchste Priorität.
In diesem Jahr unterzeichnete GAM einen Investorenbrief zur Unterstützung von drei Gesetzen in den USA, die die Abholzung in Verbindung mit Lieferketten reduzieren, und schloss sich 35 Finanzinstituten mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 8,9 Billionen USD an, die sich dem Deforestation Pledgevii verpflichtet haben.
Wir sind zudem Unterzeichner des CDP und unterstützen eine verbesserte Offenlegung durch die Waldarbeit des CDP. Eine kürzlich durchgeführte Analyse von mehr als 550 Unternehmen aus sieben Rohstoffsektoren hat gezeigt, dass die Geschäftswelt zu langsam auf die Entwaldung reagiert. Laut CDP setzen lediglich 1% der Unternehmen “Best-Practice”-Massnahmen um.
Wie beim Klimawandel wird auch hier die Regierungspolitik eine entscheidende Rolle spielen, weshalb GAM eine stärkere Konzentration auf eine Politik befürwortet, die die Natur widerspiegelt und bewahrt.
1) Klima und biologische Vielfalt: zwei Seiten einer Medaille
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist untrennbar mit dem Klimawandel verbunden. Die Klimakrise rangierte in den vergangenen Jahren ganz oben auf der politischen und wirtschaftlichen Tagesordnung, wir können jedoch den Klimawandel nicht bekämpfen, ohne gegen den Zusammenbruch der Natur zu kämpfen - und umgekehrt.
Die Wiederherstellung der Ökosysteme ist beispielsweise für beides entscheidend. Forschungsergebnissen zufolge würde die Wiederherstellung von 30%viii der für die Landwirtschaft umgewandelten Flächen nicht nur mehr als zwei Drittel des prognostizierten Aussterbens von Vögeln, Säugetieren und Amphibien verhindern, sondern die Welt wäre auch auf dem besten Weg, nahezu die Hälfte des gesamten Kohlenstoffanstiegs in der Atmosphäre seit der industriellen Revolution - mehr als 465 Milliarden Tonnen - zu binden.
Sollten wir die Notsituationen bezüglich der biologische Vielfalt und des Klimas nicht gemeinsam angehen, kann nahezu keines der 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals/SDGs) - einschliesslich der Beseitigung von Hunger und Armut, der Verringerung der weltweiten Ungleichheiten und der Verbesserung des Zugangs zu sauberem Wasser und erschwinglicher Energie - erreicht werden, so dass 7 Billionen USDix auf dem Spiel stehen.
2) Der Lebensmittelsektor im Rampenlicht
Zur Erhaltung und Wiederherstellung der Natur bedarf es der Mithilfe einer Reihe von Sektoren, der Lebensmittel-sektor ist jedoch derzeit einer der grössten globalen Verursacher des Naturverlustes.
Die Landwirtschaft bedroht nach Angaben der Vereinten Nationen 86%x der vom Aussterben bedrohten Arten, da Wälder und sonstige Ökosysteme häufig für den Anbau oder die Viehzucht gerodet werden. Unser Lebensmittelsystem trägt massgeblich zum Verlust der biologischen Vielfalt bei, ist jedoch auch sehr anfällig: Ein Drittel der Lebensmittel auf unserem Teller ist beispielsweise durch den Rückgang der Bienen- und Schmetterlingspopulationen gefährdet.
Zu den möglichen Veränderungen des Sektors zählen eine Verlagerung zu pflanzlicher Ernährung, eine Zunahme von “Food-Tech”-Lösungen (wie Fleisch aus dem Labor) und naturfreundlichere Anbaumethoden mit weniger chemischen Stoffen.
3) Regeln für die Berichterstattung über Daten zur biologischen Vielfalt verbessern sich
Informationen bewegen die Märkte. Und wenn Investoren auf eine Weise investieren sollen, die die Natur besser schützt, benötigen sie bessere Daten zur biologischen Vielfalt.
So wie die Arbeitsgruppe für klimabezogene Finanzinformationen (Taskforce for Climate-related Financial Disclosures/TCFD) bemüht war, die Berichterstattung über den Klimawandel zu standardisieren, soll die Arbeitsgruppe für naturbezogene Finanzinformationen (Taskforce on Nature-related Financial Disclosures/TNFDxi ) den Märkten ein Regelwerk für die Offenlegung von und den Umgang mit naturbezogenen Risiken, die die Finanzstabilität gefährden, bieten.
Seit ihrem Start im Jahr 2020 ist die TNFD auf mehr als 700 Institutionen aus allen Sektoren angewachsen. Die Arbeitsgruppe, die sich aus mehr als 40 Mitgliedern zusammensetzt, die ein Vermögen von 20 Billionen USD repräsentieren, steht an der Spitze der Bemühungen, umfassendere und tiefgreifendere Marktdaten über die Auswirkungen von Unternehmen auf die Biodiversität zu sammeln. Das Regelwerk, das im Jahr 2023 eingeführt werden soll, wird eine Herausforderung sein und sich zweifellos mit der Verfeinerung von Kennzahlen und Methoden weiterentwickeln, es bietet jedoch einen Ausgangspunkt für eine strukturierte Betrachtung der Natur.
Die TNFD soll auf bestehenden naturrelevanten Initiativen wie der Global Reporting Initiative (GRI) dem Sustainability Accounting Standards Board (SASB) und dem Climate Disclosure Standards Board (CDSB) aufbauen und sich am globalen Biodiversitätsregelwerk des CBD orientieren, insbesondere an den Zielen "kein Nettoverlust bis 2030 und Nettogewinn bis 2050".
Der CBD-Prozess, einschliesslich der COP15 in Montreal, ist eine entscheidende Gelegenheit für die Regierungen, sich auf ein globales naturschonendes Ziel zu einigen, das den Parteien und Unternehmen ein Regelwerk zum Schutz der biologischen Vielfalt bietet. Die Ziele und Lösungen müssen ehrgeizig und gleichzeitig realistisch und messbar sein, ansonsten besteht die Gefahr, den unverändert trägen Kurs fortzusetzen und wenig zu erreichen.
Dieser "Pariser Moment" für die Natur wird darüber entscheiden, ob die Vision des CBD erreicht werden kann, den Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2030 zu stoppen und bis 2050 "im Einklang mit der Natur zu leben". Anstatt die biologische Vielfalt auf Kosten der Klimaschutz-anstrengungen zu vernachlässigen, müssen wir die globalen Herausforderungen gemeinsam angehen. Auf diese Weise können wir verhindern, dass die Natur über kritische Schwellenwerte hinaus belastet wird, die die Grundlage unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt bilden.
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Konferenz über die biologische Vielfalt finden Sie auf der Website der Vereinten Nationen hier.
Weitere Erkenntnisse von GAM finden Sie auf der Seite "Unsere Ansichten".
iihttps://www.gam.com/en/our-thinking/gam-explains/the-uns-conference-of-the-parties-cop-process
iiihttps://www.cbd.int/article/draft-1-global-biodiversity-framework
iv https://www3.weforum.org/docs/WEF_New_Nature_Economy_Report_2020.pdf
vhttps://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/962785/The_Economics_of_Biodiversity_The_Dasgupta_Review_Full_Report.pdf
vi https://www.weforum.org/reports/global-risks-report-2022/
viihttps://racetozero.unfccc.int/system/nature-and-tackling-deforestation/
viiihttps://www.unep-wcmc.org/en/news/ecosystem-restoration-could-prevent-over-70-of-extinctions
ixhttps://www.ohchr.org/en/press-releases/2022/10/trillions-needed-close-finance-gap-sustainable-development-goals-says-un
xhttps://www.unep.org/news-and-stories/press-release/our-global-food-system-primary-driver-biodiversity-loss
xihttps://tnfd.global/
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