Skip to main content

Q3 Multi-Asset-Ausblick: Der Sturm vor der Ruhe

Julian Howard von GAM Investments erläutert seine neuesten Standpunkte und geht der Frage nach, inwieweit die albtraumhaften politischen Kompromisse, denen sich Regierungen und Zentralbanken aktuell gegenüber sehen, ewig währen, da sich die Inflation in den kommenden Monaten langsam aber sicher abschwächen wird.

10. Oktober 2022

Rückblick

Die weltweiten Aktienmärkte, gemessen am MSCI AC World Index, verzeichneten im dritten Quartal 2022 einen Wertverlust (-4,0 % in lokaler Währung). Hinter dieser Zahl verbirgt sich jedoch eine volatile Phase, in deren Verlauf der Markt während einer ruhigen Sommerperiode nach vorangegangener Volatilität sein Gleichgewicht wiederfand, um anschliessend erneut in eine Panik bezüglich der Inflations- und Zinsentwicklung überzugehen. Ein aussagekräftigeres Bild ergibt sich aus der Entwicklung der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen, die im Berichtszeitraum von 3,0 % auf 3,7 % anstieg. Die Inflations- und Zinsthematik beherrscht unverändert das Marktgeschehen aus dem einfachen Grund, dass eine effiziente Preisfindung bei Vermögenswerten nicht möglich ist, solange keine Gewissheit über den Entwicklungsverlauf der Kapitalkosten besteht. Der "Ausverkauf von allem", der sowohl das bisherige Jahr als auch das dritte Quartal geprägt hat, spiegelt im Kern die anhaltende Schwierigkeit wider, Preise für Vermögenswerte zu bestimmen, von Aktien und Anleihen bis zu Gold und Bitcoin.

Die Kerninflation in den USA enttäuschte die Marktteilnehmer mit einem hohen Wert von 6,3 % im August und verschob damit jegliche unmittelbare Aussicht auf eine Lockerung durch die US-Zentralbank. Erschwerend kam hinzu, dass der Gouverneur der US-Notenbank (Fed), Jay Powell, auf dem jährlichen Symposium in Jackson Hole erklärte, dass "wir unseren geldpolitischen Kurs zielstrebig auf ein Niveau verlagern, das ausreichend restriktiv ist, um die Inflation auf zwei Prozent zurückzuführen". Der geldpolitische Ausschuss der Fed erhöhte daraufhin im September die Zinsen um 75 Basispunkte, was die Preise für US-Aktien, insbesondere zinssensibler Technologiewerte, auf Talfahrt schickte.

Im Vereinigten Königreich verdeutlichte der Mini-Haushalt der neuen Truss-Regierung vor dem aktuellen wirtschaftlichen Hintergrund die nahezu unmöglichen politischen Kompromisse: Eine Reihe wachstumsfördernder Massnahmen wurde mit einer drastischen Abwertung des Pfund Sterling und einem sprunghaften Anstieg der Gilt-Renditen quittiert, da die Marktteilnehmer mit der Aussicht auf nicht ausfinanzierte Konjunkturmassnahmen störrisch zu werden scheinen. Diese Konjunkturmassnahmen könnten angesichts der Versuche der Bank of England, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, und des ausserordentlich angespannten Arbeitsmarktes möglicherweise nicht die erhoffte Wirkung entfalten. Die britische Zentralbank intervenierte schliesslich zur Beruhigung der Lage, doch die Kursentwicklungen an den Weltmärkten im Quartalsverlauf spiegelten zunehmend den Pessimismus darüber wider, dass im Ergebnis eine hohe Inflationsrate verbunden mit einer niedrigen Wachstumsrate überhaupt vermieden werden könnte.

Schaubild 1: Britische Märkte sehen nur schlechte Entscheidungen

 
Quelle: Bloomberg. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung und aktuelle oder zukünftige Trends. Daten vom 31. Mai 2022 bis 30. September 2022. Nur zu illustrativen Zwecken.

Schaubild 2: Aktiengewinnrendite unverändert höher als der langfristige risikofreie Zinssatz:

 
Quelle: Bloomberg. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung und aktuelle oder zukünftige Trends. Daten vom 31. Dezember 1990 bis 30. September 2022. Nur zu illustrativen Zwecken. Es kann nicht direkt in Indizes investiert werden.

Ausblick

Die altbekannte Redewendung "Vor dem Morgengrauen ist es immer am dunkelsten" scheint an dieser Stelle besonders zutreffend zu sein. Die Frage lautet allerdings, ob es bereits 5 Uhr morgens oder erst 2 Uhr morgens ist. Die Aktien- und Anleihenmärkte der Industrieländer sehen sich mit einem perfekten Sturm aus hoher Inflation, angespannten Arbeitsmärkten und einer sich verlangsamenden Wirtschaft konfrontiert. Selbst für politische Entscheidungsträger mit legitimen Absichten stellen unabhängige Zentralbanken, die die Zinsen ungeachtet der Auswirkungen auf das Wachstum erhöhen, ein durchaus reales Risiko dar. Diese Gefahr besteht nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern in vielen Volkswirtschaften, wobei die unangenehme politische Herausforderung darin besteht, dass die Konjunkturimpulse durch eine straffere Geldpolitik zunichte gemacht werden, da eine Koordinierung zwischen den Politik bestimmenden Gremien als geheime Absprache interpretiert werden würde. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Entspannung aus einer anderen Quelle kommen wird und dass die Eckpfeiler langfristiger Investitionen trotz der jüngsten Turbulenzen bestehen bleiben.

Für diese Entspannung gibt es bereits spürbare Anzeichen einer natürlich nachlassenden Inflation. In den USA hat sich der Anstieg des Verbraucherpreisindexes verlangsamt. Die Öl- und Rohstoffpreise verbilligen sich, da sich die Lieferketten auf den Krieg in der Ukraine einstellen. Darüber hinaus gibt es in vielen entwickelten Volkswirtschaften angesichts steigender Erwerbsbeteiligung insbesondere bei den älteren Jahrgängen bereits Anzeichen einer Abschwächung der Lohnerhöhungen. Bei aller Entschlossenheit, die die Fed offenbar an den Tag legt, fiel die geldpolitische Reaktion in dieser Inflationsrunde im Unterschied zu früheren Phasen, wie beispielsweise in den frühen 1980er Jahren unter dem Vorsitzenden Volcker, relativ zurückhaltend aus. Die Fed scheint auf der Suche nach einem Ausweg zu sein, und wir sind davon überzeugt, dass eine Abkühlung der Inflationsraten gut aufgenommen würde und - sollte sie sich als dauerhaft erweisen - zu einer weniger aggressiven Straffung der Geldpolitik führen.

Langfristig orientierte Anleger sollten von diesen Entwicklungen nicht überaus stark betroffen sein, auch wenn wir eingestehen, dass die derzeitigen Turbulenzen wenig erbaulich sind und Skepsis an extremen Tagen durchaus normal ist. Es ist hilfreich, daran zu erinnern, dass die Siegel-Konstante von 6,5-7 % die reale Aktienrendite abzüglich Dividenden darstellt, was Aktien über einen Zeitraum von einigen Jahrzehnten erwirtschaften, und Aktien somit die grundlegende Richtschnur für die Portfoliokonstruktion bleiben. Diese angegebene reale Rendite im Laufe der Zeit beinhaltet bereits Kriege, Inflationsschübe und politische Fehler der Vergangenheit, von denen viele weitaus extremer waren als diejenigen, die wir in diesem Jahr erleben. Dies allein sollte den Anlegern die begründete Zuversicht geben, dass die Märkte Störfaktoren dieser Art bereits in der Vergangenheit verarbeitet haben und sich ebenso wieder erholen sollten, wie sie dies früher taten. Der eigentliche Schock könnte in der zeitlichen Länge dieser Erholungsphase liegen.

Wichtige rechtliche Informationen
Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen dienen nur zu Informationszwecken und sind nicht als Anlageberatung zu verstehen. Die in diesem Dokument enthaltenen Meinungen und Einschätzungen können sich ändern und spiegeln die Sichtweise von GAM im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld wider. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen wird keine Haftung übernommen. Es gibt keine Garantie, dass die Prognosen eintreffen werden. Die genannten Finanzinstrumente dienen lediglich der Veranschaulichung und sind nicht als direktes Angebot, Anlageempfehlung oder Anlageberatung zu verstehen. Vermögenswerte und Allokationen können sich ändern. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die aktuelle oder zukünftige Entwicklung.

Julian Howard

Chief Multi-Asset Investment Strategist
Meine Insights

Verwandte Artikel

Thematische Überlegungen: Geopolitik und Umbrüche in der „grünen Wirtschaft“ in Asia-Pacific

Meera Patel

Q2 Multi-Asset-Perspektiven: Amerikanische Absicherung...oder Abgrund?

Julian Howard

Euro SMIDs - im Vergleich zum Rest des Marktes ungewöhnlich günstig?

Niall Gallagher

Investment-Meinungen