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Das Qualitätsversprechen

Julian Howard von GAM Investments untersucht angesichts der Befürchtungen einer Überbewertung der Aktienmärkte die langfristigen Argumente für Aktien und die Rolle von Qualitätsaktien als Bestandteil jeder strategischen Aktienallokation.

21. September 2023

  • Aktienanleger sind hin- und hergerissen zwischen "Kaufen und Halten" und schlechten Fundamentaldaten
  • Intuitiv gesehen ist eine stabile Rentabilität auf angespannten Märkten mit einer Prämie verbunden
  • Qualitätsaktien können die "Textur" der Aktien für die Anleger in dieser Zeit verbessern

Im Bereich der Kapitalanlagen gibt es viele konkurrierende Philosophien und Mantras, nicht zuletzt, weil es sich nicht um ein wissenschaftliches Unterfangen handelt. Trotz der zunehmenden Zahl beruflicher Qualifikationen und der mittlerweile umfangreichen akademischen Literatur haben nur wenige den "Code" geknackt und Jahr für Jahr eine beständige Outperformance erzielt. In Ermangelung eines einzigen, anerkannten Investitionsgesetzes, bei dem jeder - unmöglich - ein Gewinner wäre, sind die Anleger darauf angewiesen, jahrhundertealte Daten zu sichten und ihre eigenen Regeln für den Weg zu entwickeln.

Es ist fast unvermeidlich, dass sich die verschiedenen Ansätze widersprechen und sogar selbst widersprüchlich werden können. Kein Geringerer als beispielsweise Warren Buffett, das Orakel von Omaha, hat klar gesagt, dass der Versuch, die Märkte zu timen, Wahrsager gut aussehen lässt, während er gleichzeitig zu Protokoll gegeben hat: "Sei gierig, wenn andere ängstlich sind", was wiederum ein Ratschlag zum Markt-Timing ist. Vielleicht sind solche Widersprüche für jemanden mit Buffetts Erfolgsbilanz und Statur (er ist wahrscheinlich dem Knacken des Codes am nächsten gekommen) zu schaffen. Wie F. Scott Fitzgerald bemerkte, ist der Test für eine erstklassige Intelligenz die Fähigkeit, zwei gegensätzliche Ideen gleichzeitig zu vertreten.

Die Anleger sehen sich heute auch mit einer Kollision von Anlageideen konfrontiert, insbesondere mit den sehr langfristigen Argumenten für Aktien gegenüber der heutigen Überbewertung. Es ist erwiesen, dass langfristiges Investieren der beste Weg ist, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Ob es Jeremy Siegels ständig aktualisierte Buy-and-Hold-Bibel "Stocks for the Long Run" ist, die das Äquivalent der Investorenwelt zum Moore'schen Gesetz - die Siegel-Konstante - hervorbrachte, oder das bahnbrechende Papier des National Bureau of Economic Research (NBER) von 2017 "The Rate of Return on Everything, 1870-2015": Die Botschaft, dass Aktien über lange Zeiträume hinweg die beste Anlage sind, kommt einem Konsens der Investorengemeinschaft am nächsten.

Die meisten Anleger können jedoch nicht umhin, ein nervöses Auge auf die kurze bis mittlere Frist zu werfen. Viele haben nämlich Verbindlichkeiten, die sie in diesen Zeiträumen erfüllen müssen. Und das "Jetzt" bietet nur wenig Trost. Bei praktisch jeder gängigen Kennzahl sehen US-Aktien (die 66 % des MSCI AC World Index ausmachen) teuer aus. Das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE) von Shiller beispielsweise liegt bei über 30 und damit weit über seinem langfristigen Durchschnitt. Auch die relativen Bewertungskennzahlen blinken rot. Besonders besorgniserregend ist das Verhältnis zwischen der Aktienrendite und der risikofreien Rendite von Bargeld. Heute bieten kurzfristige US-Schatzwechsel, die eng an den aktuellen Fed Funds-Zinssatz gebunden sind, den Anlegern eine bessere Rendite als Aktien.

Lassen Sie das einen Moment auf sich wirken. Das bedeutet, dass es zumindest kurzfristig keine Argumente für Aktien gibt. Für Anleger wie John Hussman sind diese sogenannten "Eherne Gesetze der Bewertung" nicht zu ignorieren, sondern es sollte gehandelt werden, bevor es zu spät ist. Zwar befinden sich die Märkte seit Mitte Oktober letzten Jahres in einem ausgedehnten "Megatrend", doch gibt es in der Tat zunehmend Anzeichen von Unruhe angesichts der ausgedehnten Bewertungsmassnahmen. Zusammen mit den erneuten Befürchtungen über Zinserhöhungen ist dies vielleicht eine Erklärung für die -4,5 %, die der S&P 500 von Ende Juli bis zum 24. August dieses Jahres einstecken musste.

Abbildung 1: Wenn sich Nichtstun lohnt - Schatzbriefe rentieren jetzt mehr als Aktien:

Chart: When doing nothing pays – T-Bills now yield more than stocks 
Quelle: Bloomberg

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die künftige Wertentwicklung und aktuelle oder künftige Trends.


Aber mit F. Scott Fitzgerald im Hinterkopf ist es intellektuell nicht widersprüchlich, Aktien zu halten. Die langfristigen Argumente bleiben intakt, da die Jahrzehnte der Börsengeschichte, die zu aussagekräftigen Beobachtungen wie Herrn Siegels 7 % Realrendite für Aktien geführt haben, bereits Perioden der Überbewertung enthalten. Und obwohl viele davon unweigerlich zu Korrekturen führten, erholte sich der Markt danach wieder. Ein gutes Beispiel für diese historischen Perioden der Überbewertung wäre der Technologieboom von 2001 oder die Immobilienexpansion im Vorfeld der globalen Finanzkrise von 2008.

Auch wenn die Bewertungen und die relativen Aktienprämien im Vergleich zu den risikofreien Zinssätzen derzeit nicht besonders anregend sind, könnten sie sich noch verbessern. Die US-Notenbank könnte zum Beispiel 2024 mit einer Zinssenkung beginnen, da die Gesamtinflation in den USA inzwischen auf 3,2 % gesunken ist. Alternativ dazu könnten sich die Gewinnaussichten der US-Unternehmen angesichts der unerwarteten Widerstandsfähigkeit der US-Verbraucher und damit der Wirtschaft insgesamt verbessern. Die robusten Hauspreise und das Wachstum der Einzelhandelsumsätze von (ebenfalls) 3,2 % sprechen dafür.

Vielen Anlegern reichen jedoch selbst diese Zusicherungen nicht aus, und sie benötigen eine Möglichkeit, die kurzfristige Überbewertung und die damit einhergehende Volatilität auf Portfolioebene zu überwinden. Im Multi-Asset-Kontext ist der offensichtliche Hebel die Vermögensallokation selbst. Wenn jedoch die oben erwähnten schwachen Fundamentaldaten die Aktienallokation in Erwartung schlechterer künftiger Renditen bereits auf ein "neutraleres" Niveau gelenkt haben, stellt sich die Frage, ob eine völlige Untergewichtung jetzt angemessen ist. Angesichts der strukturellen langfristigen Argumente für Aktien birgt eine Untergewichtung des Marktes erhebliche Risiken in Bezug auf den Zeitpunkt des Wiedereinstiegs. Rezessionen und fallende Märkte bieten die beste Gelegenheit dazu, sind aber auch stark kontraintuitiv.

Eine Möglichkeit, eine solche Entscheidung zu vermeiden, bestünde darin, die Granularität des Aktienmantels zu optimieren, ohne das Engagement in diesem Bereich wesentlich zu verändern. Es ist sowohl möglich als auch völlig legitim, ein intrinsisch widerstandsfähigeres Aktienportfolio aufzubauen, ohne auf riskante Asset-Allocation-Entscheidungen zurückgreifen zu müssen, die die Vorteile einer dauerhaften Anlage beeinträchtigen könnten.

Eine der attraktivsten Möglichkeiten, dies zu tun, sind unseres Erachtens die sogenannten Qualitätsaktien. Während die genauen Definitionen je nach Anbieter variieren können, zeichnen sich Qualitätsaktien in der Regel durch einen soliden und beständigen Ertragsstrom aus und sind typischerweise Unternehmen mit hohen Gewinnspannen und geringer Verschuldung. Qualitätsunternehmen weisen daher in der Regel eine hohe Eigenkapitalrendite, ein wachsendes Ertragsprofil und einen geringen Verschuldungsgrad in ihren Bilanzen auf. Intuitiv und in der Praxis sind solche Eigenschaften in Zeiten der Volatilität und/oder Überbewertung wünschenswert. Wenn die Märkte auf wackligen Beinen stehen, sind solide Fundamentaldaten in der Regel mit einem Aufschlag verbunden.

Das nachstehende Schaubild zeigt, wie Qualitätsaktien, gemessen am MSCI USA Quality Index, den Standard MSCI USA Index übertroffen haben, da die Gewinnrenditen von US-Aktien im breiteren Markt durchweg gesunken sind (bei gleichzeitig höheren Kursen). Qualitätsaktien bieten auch eine stilistische Diversifizierung. Die Betonung von Wachstumswerten mit ihrem Engagement in Technologiethemen wie Künstliche Intelligenz (KI) ist ein guter Weg, um eine Welt der wirtschaftlichen Stagnation zu überwinden, aber er hat seine Höhen und Tiefen. Eine ergänzende, sektorneutrale Qualitätsallokation kann dazu beitragen, dies im Laufe der Zeit auszugleichen. In diesem Sinne glauben wir, dass sich Qualität auch besser zur Diversifikation eignet als Value (im Wesentlichen billige Aktien), da sie dazu neigt, fundamental angegriffene Geschäftsmodelle von vornherein zu vermeiden.

Schaubild 2: Qualität war eine wirksame Antwort auf sinkende Ertragsrenditen:

Chart: Quality has been an effective answer to declining earnings yields 
Quelle: Bloomberg

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die künftige Wertentwicklung und aktuelle oder künftige Trends.


Die Märkte stellen heute eine unangenehme Herausforderung für alle dar, ausser für die besonders Engagierten. Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass die Fundamentaldaten derzeit suboptimal sind, dass aber das eigentliche Argument für Aktien auf lange Sicht ungebrochen bleibt. Die Anleger müssen diesen krassen Widerspruch in Einklang bringen, ohne drastische und potenziell riskante Massnahmen zu ergreifen, wie z. B. eine völlige Untergewichtung von Aktien und damit ein Ausstieg aus dem Markt mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Zwar wird kein Anlageportfolio, das auch nur ein geringes Engagement in Aktien aufweist, frei von Volatilität sein, doch kann eine sorgfältige Auswahl des Anlagestils das Risiko-Ertrags-Verhältnis innerhalb dieses Engagements optimieren und die kurzfristigen Schwankungen viel leichter verdauen lassen. Qualitätsaktien spielen hier eine Rolle und sollten als quasi ständiger Bestandteil jeder strategischen Aktienallokation betrachtet werden. Es geht vielleicht zu weit zu behaupten, dass sie den Intelligenztest von F. Scott Fitzgerald erfüllen, aber sie stellen einen pragmatischen Ausgleich zwischen den heutigen Investitionsbedingungen und den immer noch überzeugenden Argumenten für langfristige Investitionen dar.

Wichtige Hinweise und Informationen
Die hierin enthaltenen Informationen dienen lediglich zu Informationszwecken und stellen keine Anlageberatung dar. Die hierin enthaltenen Meinungen und Einschätzungen können sich ändern und spiegeln die Sichtweise von GAM im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld wider. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der hierin enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für aktuelle oder zukünftige Trends. Die erwähnten Finanzinstrumente dienen lediglich der Veranschaulichung und sind nicht als direktes Angebot, Anlageempfehlung oder Anlageberatung oder als Aufforderung zur Investition in ein Produkt oder eine Strategie von GAM zu verstehen. Die Erwähnung eines Wertpapiers stellt keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf dieses Wertpapiers dar. Die aufgeführten Wertpapiere wurden aus dem von den Portfoliomanagern abgedeckten Wertpapieruniversum ausgewählt, um dem Leser ein besseres Verständnis der dargestellten Themen zu ermöglichen. Die aufgeführten Wertpapiere werden nicht notwendigerweise von jedem Portfolio gehalten und stellen weder Empfehlungen der Portfoliomanager noch eine Garantie dafür dar, dass die Ziele erreicht werden. Verweise auf Indizes und Benchmarks sind hypothetische Darstellungen von Gesamtrenditen und spiegeln nicht die Performance einer tatsächlichen Anlage wider. Anleger können nicht in Indizes investieren, die nicht den Abzug der Gebühren des Anlageverwalters oder anderer Handelskosten widerspiegeln. Solche Indizes werden nur zu Illustrationszwecken zur Verfügung gestellt. Indizes werden nicht verwaltet und es fallen keine Verwaltungsgebühren, Transaktionskosten oder andere mit einer Anlagestrategie verbundene Kosten an. Daher sind Vergleiche mit Indizes nur bedingt möglich. Es kann nicht garantiert werden, dass ein Portfolio einem bestimmten Index oder einer Benchmark entspricht oder diese übertrifft.

Dieser Artikel enthält zukunftsgerichtete Aussagen in Bezug auf die Ziele, Möglichkeiten und die zukünftige Performance des US-Marktes im Allgemeinen. Zukunftsgerichtete Aussagen können durch die Verwendung von Wörtern wie "glauben", "erwarten", "antizipieren", "sollten", "geplant", "geschätzt", "potenziell" und anderen ähnlichen Begriffen gekennzeichnet sein. Beispiele für zukunftsgerichtete Aussagen sind u.a. Schätzungen in Bezug auf die Finanzlage, die Betriebsergebnisse und den Erfolg oder Misserfolg einer bestimmten Anlagestrategie. Sie unterliegen verschiedenen Faktoren, einschließlich, aber nicht beschränkt auf allgemeine und lokale wirtschaftliche Bedingungen, Veränderungen des Wettbewerbs innerhalb bestimmter Branchen und Märkte, Änderungen der Zinssätze, Änderungen in der Gesetzgebung oder Regulierung sowie andere wirtschaftliche, wettbewerbsbezogene, staatliche, regulatorische und technologische Faktoren, die sich auf die Geschäftstätigkeit eines Portfolios auswirken und dazu führen können, dass die tatsächlichen Ergebnisse erheblich von den prognostizierten Ergebnissen abweichen. Solche Aussagen sind zukunftsorientiert und beinhalten eine Reihe von bekannten und unbekannten Risiken, Ungewissheiten und anderen Faktoren, und dementsprechend können die tatsächlichen Ergebnisse erheblich von denen abweichen, die in solchen zukunftsorientierten Aussagen widergespiegelt oder in Erwägung gezogen werden. Potenzielle Anleger werden darauf hingewiesen, dass sie sich nicht auf zukunftsgerichtete Aussagen oder Beispiele verlassen sollten. Weder GAM noch eine seiner Tochtergesellschaften oder Direktoren noch eine andere natürliche oder juristische Person übernimmt eine Verpflichtung, zukunftsgerichtete Aussagen aufgrund neuer Informationen, späterer Ereignisse oder anderer Umstände zu aktualisieren. Alle hierin gemachten Aussagen beziehen sich nur auf das Datum, an dem sie gemacht wurden.

Julian Howard

Chief Multi-Asset Investment Strategist
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