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Das Rätsel um die Regulierung von Kryptowährungen

Die Regulierung von Kryptowährungen stellt eine komplexe Herausforderung dar. Mark Hawtin, Investment Director, skizziert eine Reihe möglicher Lösungen, betont jedoch seine Überzeugung, dass die Aufsicht nicht ausschliesslich in den Händen von Regulierungsbehörden liegen sollte.

28. September 2022

Genau in dem Moment, in dem Coinbase eine Partnerschaft mit BlackRock ankündigte um seine Position als führende Plattform für Kryptowährungen und sonstige Blockchain-basierte Vermögenswerte zu unterstreichen, scheinen sich die regulatorischen Wolken zu verdichten. Die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) leitete jüngst rechtliche Schritte gegen Coinbase ein und stellt die Behauptung auf, dass es sich bei neun der gelisteten Coins um Wertpapiere handelt und das Unternehmen daher gegen das Wertpapierrecht verstösst. Gleichzeitig erhob das US-Justizministerium Anklage gegen drei Personen wegen Insiderhandels, da diese bei einer Reihe dieser Coin-Notierungen sog. „Frontrunning“ betrieben haben sollen. Der Vorwurf der Gewinnerzielung in Höhe von bis zu 1,5 Mio. US-Dollar durch den Coinbase-Mitarbeiter Isahn Wahi sowie zwei weiterer Personen, wird von diesen drei Personen bestritten. Dieser Fall hat die Aufmerksamkeit auf Coinbase gelenkt, wir sind jedoch der Ansicht, dass dies den Kern des Problems verkennt - wer soll für die Regulierung von Kryptowährungen verantwortlich sein und in welcher Art und Weise sollten sie reguliert werden? Dass Coinbase in diesen Fall verwickelt ist, ist purer Zufall und sollte nicht als Hinweis auf schlechte Praktiken der Unternehmensführung gewertet werden. In der Tat hat Coinbase selbst die Namen der drei mutmasslich beteiligten Personen an die SEC weitergegeben und den involvierten Mitarbeiter entlassen.

Das grössere Problem liegt darin, dass die Regulierungsbehörde weit hinter der Entwicklung zurückbleibt. Tatsächlich ist die bestehende Regulierung derart untauglich, dass Bitcoin und Ethereum von der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) als Waren eingestuft und von der SEC als solche akzeptiert wurden. Dies liegt darin begründet, dass diese mittlerweile eine Grösse erreicht haben, dass der Versuch, adäquate Wertpapiergesetze einzuführen, die Gefahr birgt, die dominierenden Bitcoin-Handelsplätze zu destabilisieren und möglicherweise ins Ausland zu treiben - kurz gesagt, es gefährdet die Wettbewerbsposition der USA bei Kryptoanlagen.

In der Frage, wer Kryptowährungen regulieren soll, zeichnen sich klare Fronten ab, wobei die SEC und die CFTC miteinander konkurrieren. Die SEC-Position ist schwierig, da keine eindeutige Definition für Wertpapiere existiert. Infolgedessen versucht sie, Gesetze durch Rechtsstreitigkeiten zu erlassen, was suboptimal ist. Die SEC stützt sich auf die "Wertpapier"-Definition, die Anlageverträge umfasst, wie sie im Fall SEC gegen Howey vom Obersten Gerichtshof 1946 festgelegt wurde. Die CFTC unterstellt hingegen, dass Kryptowährungen eine Währung und damit eine Ware sind, die unter den Commodity Exchange Act von 1934 fällt, ein Gesetz, das lange vor der Existenz von Kryptowährungen geschaffen wurde. Es besteht eine klare Wettbewerbsdynamik zwischen der SEC, die das Wertpapierrecht umsetzt, und der CFTC, die das Derivatrecht umsetzt. Die Aufsicht über die SEC wird vom Finanzausschuss des Kongresses wahrgenommen, während die Aufsicht über die CFTC vom Landwirtschaftsausschuss wahrgenommen wird. Beide verfolgen unterschiedliche Agenden und beschäftigen Lobbyisten.

Wir sind davon überzeugt, dass es dieser Wettlauf um die Aufsicht ist, der die SEC-Politik vorantreibt, und dass die Zielpersonen der juristischen Massnahmen lediglich ein Mittel zum Zweck sind und nicht explizit aufgrund ihrer individuellen Arbeitspraktiken ins Visier genommen werden. Tatsächlich ist Coinbase als jüngster Betroffener von SEC-Massnahmen sehr daran interessiert, sich an der Diskussion über die Gesetzgebung zu beteiligen, die SEC scheint dazu jedoch wenig aufgeschlossen zu sein. Coinbase verweist auf seine aktuelle Petition an die SEC, in der mehrere Punkte dargelegt werden, und die SEC die Vorschriften überarbeiten muss, wenn sie Kryptowährungen tatsächlich als Wertpapiere definieren will. Mit anderen Worten, die SEC hat noch einige Aufgaben zu lösen, um Kryptowährungen wirkungsvoll zu regulieren. Dies unterstreicht, dass die Branche kooperativ ist, auch wenn sie es versäumt hat, sich aktiv einzubringen und sich registrieren zu lassen. Ein deutlich umfangreicherer Fall, der von beiden Seiten aktiv verhandelt wird, richtet sich gegen Ripple, und diese Entwicklung könnte dazu beitragen, eine neue Rechtsprechung zu definieren, obwohl wir diesbezüglich skeptisch sind.

Das Gesamtergebnis wird sich voraussichtlich im Zeitablauf ergeben, wir erkennen jedoch drei mögliche Lösungen. Die erste und unwahrscheinlichste Lösung wäre, dass sich die SEC durchsetzt. In diesem Fall würde die Aufsicht bestehende Broker/Dealer stark begünstigen, die zu Lasten der derzeitigen Handelsplätze problemlos Krypto-Handelsfunktionen auf ihren bestehenden Plattformen anbieten könnten. Die zweite Möglichkeit wäre, dass sich die CFTC durchsetzt und Krypto als Währung einstuft. Ein vom Landwirtschaftsausschuss des Senats Ende August vorgelegter Gesetzentwurf würde der CFTC die führende Rolle bei der Überwachung der zwei grössten Kryptowährungen sowie der Plattformen, auf denen sie gehandelt werden, übertragen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Aufsicht der übrigen Kryptowährungen zwischen der CFTC und der SEC aufgeteilt wird, obwohl das Verfahren für diese Entscheidungen noch unklar ist. Das dritte Ergebnis, dem wir die grösste Wahrscheinlichkeit beimessen, würde darin bestehen, dass der Kongress zunehmend dazu gedrängt wird, neue Rechtsvorschriften für Kryptowährungen zu erlassen, ein Vorgang, für den er bislang wenig Motivation zeigte, der jedoch die einzige praktikable langfristige Lösung zu sein scheint. Es handelt sich um eine neue Anlageklasse, die eine neue Gesetzgebung erfordert. Es ist erwähnenswert, dass der politische Trend weg von der SEC und mehr in Richtung des Kongresses geht, der der CFTC Spot-Handelsbefugnisse überträgt (mittels drei separaten überparteilichen Gesetzesentwürfen), während die Fed die Aufsicht über Kryptowährungen auf Stablecoin-Basis erhält. Mit anderen Worten: Die Rolle der SEC ist wichtig, aber sie stellt nur einen Teil des Puzzles dar.

Jede Lösung, die die vollständige Aufsicht in den Händen der SEC belässt, würde die USA in eine sehr nachteilige Wettbewerbsposition bringen und deren Durchsetzung ist daher nach unserer Ansicht unwahrscheinlich. Sämtliche anderen Ergebnisse würden die bestehenden Plattformen mit deren Geschäftsmodellen unbeeinträchtigt lassen, und in der Tat würden diejenigen, die wie Coinbase versuchen, transparent und "onshore" zu arbeiten, letztendlich vermutlich ihre Positionen als klare Marktführer festigen.

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