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Active Thinking

David Dowsett von GAM Investments gibt einen Ausblick auf die bedeutendsten Entwicklungen in einer alles andere als typischen Urlaubssaison und erörtert die wichtigsten Faktoren, auf die Anleger im kurz bevorstehenden vierten Quartal ihren Fokus legen sollten.

06. September 2023

David Dowsett, Global Head of Investments

Während viele von uns im August im Urlaub weilten, sei hier zusammengefasst, was sich in den letzten vier bis sechs Wochen in den wichtigsten Regionen wirtschaftlich getan hat.

Europa vermeldete enttäuschende Konjunkturdaten, und die weiteren Aussichten bleiben recht schwach, aber zumindest gut prognostizierbar. Um einen Rückgang der Inflation zu erreichen, werden wir allerdings mit weiteren Straffungen der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank rechnen müssen.

Dagegen fiel das japanische nominale Wirtschaftswachstum mit einem Plus von 12% im zweiten Quartal erwartungsgemäss stark aus. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass dieses Niveau dauerhaft aufrechterhalten werden kann, ist der Wachstumsausblick solide. Dies stellt eine deutliche Wende im Vergleich zu den schlechten Aussichten dar, die wir über einen sehr langen Zeitraum in Japan gesehen haben. Andernorts, mit Ausnahme von China, zeigte das Wachstum in den Schwellenländern hingegen ein recht uneinheitliches Bild, erwies sich jedoch als weitgehend stabil, wobei der „Wachstumsstab“ von China an andere Märkte weitergegeben wurde.

Fokussierung auf die USA und China

Ich halte es für angebracht, den Fokus zuerst auf die USA und dann auf China zu richten, da dies die wichtigsten Regionen für das globale Wirtschaftswachstum und den Finanzmarktausblick sind.

Hinsichtlich Wachstums und Inflation haben sich die USA im Sommer deutlich besser entwickelt als erwartet. Tatsächlich verzeichnete die US-Wirtschaft im Vergleich zu 2020 ein nominales Wachstum von 40%, die drittgrösste nominale Expansion seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Gegensatz dazu betrug der Zuwachs in den zehn Jahren seit 2009 lediglich 13%. Der Anstieg in den letzten dreieinhalb Jahren stellt also eine bedeutende Steigerung dar, die grösstenteils auf die Fiskalpolitik, zu einem gewissen Grad aber auch auf die Inflation zurückzuführen ist.

Wir sprechen hier von nominalen Werten. Allerdings sind diese für die Unternehmensergebnisse entscheidend, besonders bei der Gewinnermittlung. Sie sind aber auch massgeblich dafür, dass sich US-Aktien so gut entwickeln. Meiner Einschätzung nach ist die expansive Geldpolitik, die wir erlebt haben, nicht nachhaltig. Dennoch war sie ein starker unterstützender Faktor, als sich der Markt von den Tiefständen nach der Corona-Krise erholt hat.

Die USA am Steuer – die Wirtschaft brummt

Betrachtet man das kurzfristigere Bild, so liegt das US-Wachstum im dritten Quartal real bei sehr soliden 3,5%. In den letzten Wochen haben wir erhebliche Verbesserungen bei den angebotsseitigen Daten festgestellt. Die Zahl der Erwerbstätigen nimmt zu, weshalb in den Nachrichten von einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote die Rede ist. Der Lohndruck scheint nachzulassen, wodurch sich die Inflationsaussichten verbessern. Dennoch stellt sich die Inflationsentwicklung in den USA deutlich besser dar als andernorts, worauf der Präsident der US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, in seiner Rede in Jackson Hole hingewiesen hat. Verständlicherweise wollte er nicht sagen, dass er die Inflation besiegt hat, aber er betonte, dass es bedeutende Fortschritte aufgrund der Umstellung der Geldpolitik in den USA gab. Meiner Einschätzung nach erkennen die Märkte, dass die Fed bei ihrer Sitzung im September voraussichtlich eine Zinspause einlegen wird und wir uns wahrscheinlich am Ende des Zinserhöhungszyklus befinden.

Abgesehen von den über den Erwartungen liegenden Wachstumsergebnissen und dem unerwartet günstigen Inflationsumfeld über den Sommer in den USA kam es auch zu einer messbaren Produktivitätssteigerung, die so hoch ausfiel, dass die in dieser Woche veröffentlichten Statistiken einen Produktivitätsanstieg von etwa 3,5 % ausweisen dürften. Für das dritte Quartal ist mit Ähnlichem zu rechnen, sodass sich einige der Investitionsvorteile in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und IT, über die einige Investoren gesprochen haben, möglicherweise bereits in den Statistiken bemerkbar gemacht haben. Noch zu Beginn des Jahres 2023 sprach im Grunde niemand wirklich über die Vorteile von KI, und selbst vor sechs Monaten hatten nur wenige von Chat-GPT gehört. Sollte der KI-Effekt jedoch anhalten, würde die US-Wirtschaft enorm davon profitieren, und ein nachhaltiges Szenario einer sanften Landung im Jahr 2024 wäre möglich. Dies ist auf jeden Fall etwas, was man im Auge behalten sollte, wie auch die Frage, wie sich dieser Aspekt in einigen Wochen in den Quartalsberichten widerspiegeln könnte.

Was könnte dies für das kommende Jahr bedeuten? Die Produktivität wird entscheidend sein

Mit Blick auf das Jahr 2024 bedeutet all dies wahrscheinlich, dass die Zinssätze über weite Strecken des kommenden Jahres nahe dem aktuellen Niveau liegen werden. Ich denke, das Inflationsumfeld kann uns dahingehend zuversichtlich stimmen, dass die Zinsen nicht mehr wesentlich erhöht werden müssen. Zugleich bin ich angesichts der Wachstumssituation und des Szenarios einer „sanften Landung“ aber auch der Ansicht, dass die Märkte das Potenzial für Zinssenkungen im nächsten Jahr überschätzen könnten.

Natürlich könnte die Ansicht, dass die Zinsen längerfristig höher sein sollten, letztendlich auch Druck auf die Refinanzierung hochverzinslicher Schuldverschreibungen ausüben. In Bereichen wie der Privatkreditvergabe war wohl jeder überrascht, dass es in diesem Jahr nicht zu mehr Ausfällen gekommen ist. Meiner Ansicht nach werden bei der Frage, ob wir eine übliche Konjunkturabkühlung oder eine sanfte Landung erleben werden, die statistischen Daten zur Produktivität sowie der Umstand entscheidend sein, ob es im gesamten Dienstleistungssektor, insbesondere im IT- und KI-Bereich, tatsächlich zu einer nennenswerten Produktivitätsverbesserung kommt.

Die Schwäche Chinas gibt Anlass zur Sorge

Was China betrifft, besteht kein Zweifel daran, dass die Anzeichen auf Daten- und Zahlungsebene in den letzten etwa sechs Wochen sehr beunruhigend waren. Zwar kommt der mögliche Ausfall der Country-Garden-Anleihe wahrscheinlich nicht überraschend, dennoch rückt er die Sorgen rund um China wieder in den Fokus des Marktes. Durch Zhongrong kam es auch zu einigen Schwächen im Schattenbankensektor. Natürlich wird befürchtet, dass eine Verwerfung in diesem Bereich Auswirkungen auf den gesamten Bankensektor haben könnte. Generell waren die Anlageinvestitionen zurückhaltend, und das Wirtschaftswachstum fiel im Allgemeinen geringer aus als erwartet.

Bisherige politische Reaktion Chinas: keine Bazooka-Massnahmen

Bislang hat die Politik nur punktuell reagiert, aber durchaus nicht unerheblich, zumal praktisch alle politischen Hebel bis zu einem gewissen Grad in Bewegung gesetzt wurden. Auch wenn es keine „umfassenden Bazooka-Massnahmen“ gegeben hat, bin ich der Meinung, dass China genug getan hat, um die Wirtschaft für den Rest des Jahres 2023 zu stabilisieren, sodass wir nicht mit einem drastischen Einbruch des chinesischen Wachstums rechnen müssen; vielmehr ist von einem möglichen Wachstum von 4 bis 4,5%, möglicherweise auch von 5% auszugehen.

Angesichts der Stabilität der chinesischen Wirtschaft kommt nun die Geopolitik ins Spiel

Einzeln betrachtet gibt es nichts, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber in der Summe kommt genug für einen stabilen Ausblick zusammen. Da sich die Menschen über die Finanzierungslage Sorgen machten, tendierten die Dinge in der ersten Augusthälfte eher zu einem Szenario einer harten Landung, obwohl wir in den letzten zwei Wochen eine zaghafte Erholung bei chinesischen Aktien beobachten konnten. Ich bin einigermassen optimistisch, dass sich diese Erholung fortsetzen wird und ein freier Fall der chinesischen Asset-Märkte vermieden werden kann. Ich denke, dass China letztendlich eine deutlich aktivere Fiskalpolitik betreiben muss, um dem Problem des Immobilienschuldenüberhangs zu entgehen, aber im Moment hat das Land schon eine Menge getan.

Auch wenn es derzeit viele Fragen im Zusammenhang mit China gibt, halte ich es für bedeutsam, dass Präsident Xi zwar zum BRICS-Gipfel in Südafrika, nicht aber zum G20-Gipfel reist. Ich sehe dies als Zeichen dafür, dass China seine Führungsrolle neu definiert, um Einfluss auf sogenannte Mittelmächte auszuüben. In Asien herrscht der Eindruck vor, dass Präsident Xi nicht aus einer Position der Schwäche heraus agiert, wenngleich Chinas Wirtschaft im Post-Lockdown-Umfeld 2023 hinter den Konsenserwartungen zurückbleibt.

Aufgrund der stabilen Aussichten verfolgen die Anleger einen geduldigen Ansatz

Vor diesem Hintergrund bleiben die Anleger geduldig. Die Mittelflussdaten der Bank of America für das Jahr 2023 bis heute zeigen, dass rund 230 Milliarden US-Dollar in Anleihenfonds geflossen sind, Geldmarktfonds jedoch rund 1 Billion US-Dollar an Zuflüssen verzeichneten, was bedeutet, dass zehnmal so viel Geld in Geldmarktfonds geflossen ist wie in Aktien. Bei aktiv verwalteten Aktienportfolios kommt es derzeit zu Abflüssen. Da die Wachstumstreiber für Aktien relativ begrenzt sind, stellt die Rendite von 5–6% aus Geldmarktfonds oder Fonds mit kurzer Laufzeit mittlerweile eine sehr praktikable Alternative für Anleger dar. Angesichts der Aussicht, dass die Zinssätze länger hoch bleiben, könnte dies auch noch einige Zeit so bleiben.

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Diese Präsentation enthält zukunftsgerichtete Aussagen in Bezug auf die Ziele, Möglichkeiten und die künftige Entwicklung des US-Marktes im Allgemeinen. Zukunftsgerichtete Aussagen können durch die Verwendung von Wörtern wie „glauben“, „erwarten“, „antizipieren“, „sollten“, „geplant“, „geschätzt“, „potenziell“ und anderen ähnlichen Begriffen gekennzeichnet sein. Beispiele für zukunftsgerichtete Aussagen sind unter anderem Schätzungen in Bezug auf die Finanzlage, die Betriebsergebnisse und den Erfolg oder Misserfolg einer bestimmten Anlagestrategie. Sie unterliegen verschiedenen Faktoren, einschliesslich, aber nicht beschränkt auf allgemeine und lokale wirtschaftliche Bedingungen, Veränderungen des Wettbewerbs innerhalb bestimmter Branchen und Märkte, Änderungen der Zinssätze, Änderungen in der Gesetzgebung oder Regulierung sowie andere wirtschaftliche, wettbewerbsbezogene, staatliche, regulatorische und technologische Faktoren, die sich auf die Geschäftstätigkeit eines Portfolios auswirken und dazu führen können, dass die tatsächlichen Ergebnisse erheblich von den prognostizierten Ergebnissen abweichen. Solche Aussagen sind zukunftsorientiert und beinhalten eine Reihe von bekannten und unbekannten Risiken, Ungewissheiten und andere Faktoren. Dementsprechend können die tatsächlichen Ergebnisse erheblich von denen abweichen, die in solchen zukunftsorientierten Aussagen widergespiegelt oder in Erwägung gezogen werden. Potenzielle Anleger werden darauf hingewiesen, dass sie sich nicht auf zukunftsgerichtete Aussagen oder Beispiele verlassen sollten. Weder GAM noch eine seiner Tochtergesellschaften oder Direktoren noch eine andere natürliche oder juristische Person übernimmt eine Verpflichtung, zukunftsgerichtete Aussagen aufgrund neuer Informationen, späterer Ereignisse oder anderer Umstände zu aktualisieren. Alle hier gemachten Aussagen beziehen sich nur auf das Datum, an dem sie gemacht wurden.

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